Noch ist der Teenager frohen Mutes
Viele Erziehungsberechtigte kennen die folgende Situation: Der Teenager wird mit der Anforderung „wir brauchen Käse“ zum Einkaufen geschickt.
Der Teenager macht sich auf den Weg und ist zu diesem Zeitpunkt noch frohen Mutes. Allerdings kommt im Augenblick der Wahrheit — zwischen den Regalen stehend — die Erkenntnis: Welcher Käse?
Deshalb greift er zum Smartphone und ruft kurzerhand den Erziehungsberechtigten an und prüft nochmal die Anforderungen seines “Auftraggebers”. „Brauchen wir einen Hartkäse oder einen Weichkäse?“, „Wie teuer darf er sein?“, usw.
Ob der Teenager mit dem richtigen Käse nach Hause gekommen ist, und wie die Reaktion des Erziehungsberechtigten ausfiel, ist nicht überliefert.
Es kann aber noch teurer werden
Was in der Geschichte sicherlich mit einem bissigen Kommentar des Erziehungsberechtigten endete, kann in IT-Projekten schnell zu einem finanziellen Desaster werden. Beispiele wie Toll-Collect (Autobahn Maut), Herkules (Telekommunikation der Bundeswehr) oder A2LL
(Verwaltungssoftware für die Vergabe des Arbeitslosengeld II) zeigen, das ein mangelndes Anforderungsmanagement nicht nur große Probleme verursacht, sondern auch ganze Projekte zum scheitern bringt.
Ein ganz bekanntes Beispiel ist das sogenannte Denver-Koffer-Debakel
. Hier wurden so viele Fehler gemacht — nicht nur beim Anforderungsmanagment — das der Schaden in die Milliarden ging.
Probleme der Systemanalyse
Die entscheidende Frage die man sich als Anforderungsmanager stellen sollte, ist „Wo entstehen Fehler und warum scheitern Ecommerce Projekte?“. Je nachdem welche Studie man liest, kann man davon Ausgehen das über 60% der Fehler die in einem Projekt gemacht werden, während der Analyse der Anforderungen entstehen. Die häufigsten Fehler sind unklare Zielvorstellungen und unterschiedlicher Sprachgebrauch.
Sprache ist nicht genormt und jeder versteht das, was er will.
Anforderungsfehler
- fehlende Anforderungen
- unnötige Anforderungen
- mehrdeutige Anforderungen
- missverständliche Anforderungen
- unvollständige Anforderungen
- veränderliche Anforderungen
Gruppenfehler
-
Redundante Anforderungen
- Sich widersprechende Anforderungen
- Inkonsistente Anforderungen
Fehler während der Systemanalyse
Einige Fehler die während der Systemanalyse auftreten können:
- unklare Zielvorstellung
- hohe Komplexität
- Sprachbarriere
- Schlechte Qualität
Maßnahmen die zur Reduzierung von Fehlern führen können:
-
Mit dem Projektinitiator über seine Ziele sprechen
- Anforderungen zerlegen in kleinere Bestandteile
- Erstellen eines Glossars mit verbindlichen Definitionen
- Mehrmaliges überarbeiten der Anforderungen bis die Qualität stimmt
Was ist aber eine Anforderung?
Nach IEEE-Definition ist einen Anforderung:
-
eine Bedingung oder Fähigkeit, die von einem Benutzer (einer Person oder eines Systems) zur Erreichung eines Ziels benötigt wird.
- eine Bedingung oder Fähigkeit, die ein System oder Teilsystem erfüllen oder besitzen muss, um einem Vertrag oder einer Norm, einer Spezifikation oder anderen, formell vorgegebenen Dokumenten zu entsprechen.
-
eine dokumentierte Repräsentation einer Bedingung oder Eigenschaft gemäß 1) oder 2)
Zusammengefasst kann man schreiben:
Eine Anforderung ist eine direkte oder indirekte Aussage über eine Eigenschaft oder Leistung eines Produktes, eines Prozesses oder am Prozess beteiligter Benutzer (Personen oder Systeme).
Was versteht man in diesem Zusammenhang unter einer direkten und einer indirekten Anforderung? Bei der direkten Anforderung ist diese explizit, das heißt möglichst genau, beschrieben und dokumentiert. Eine implizite Anforderung ist versteckt und ergibt sich aus der allgemeinen Wahrnehmung. So kann als implizite Anforderung gesehen werden, das ein Auto 4 Räder hat. Das gefährliche an impliziten Anforderungen ist aber, das diese nicht konkret beschrieben werden und dadurch stark von der Betrachtung des Anwenders abhängt.
Wie müssen Anforderungen sein?
Es gibt gewisse Qualitätsanforderungen an eine Anforderungsanalyse. So sollten Anforderungen vollständig, korrekt, eindeutig, und realisierbar sein. Außerdem ist noch wichtig, das die Anforderungen gültig, aktuell, prüfbar und nachverfolgbar sind.
Einteilung der Anforderungen
Anforderungen können grob in die Bereiche: funktionale, technologische, qualitative, optische und anwendbare, rechtliche und vertragliche, sowie Durchführungsanweisung eingeteilt werden. Eine funktionale Anforderungen ist die Anzeige der richtigen Zeit bei einer Uhr. Von technologischen Anforderungen spricht man, wenn ein Werkstück zum Beispiel aus Metall zu fertigen ist. Die rechtlichen und vertraglichen Anforderungen ergeben sich aus Gesetzen und Verordnungen und aus dem konkreten Vertrag zwischen den Projektpartnern.
Je nachdem wie verbindlich eine Anforderung sein soll, kommen unterschiedliche Schlüsselwörter zum Einsatz:
Die Spezialisten
Nachdem wir beleuchtet haben, was eine gute Anforderung mitbringen sollte, stellen wir natürlich noch eine Frage. Ist der oben erwähnte Ehemann wirklich ein guter Anforderungsspezialist?
Oder allgemeiner gefragt: Was muss jemand mitbringen, um ein Spezialist zu sein und eine hohe Qualität der dokumentierten Anforderungen zu gewährleisten?
Es ist nicht bekannt wie der Teenager aus der Nummer mit seinem Erziehungsberechtigten raus gekommen ist, aber nach einer Definition des International Requirements Engineering Board (IREB) sollte ein guter Requirementmanager die in der folgenden Auflistung beschriebenen Fähigkeiten mitbringen:
- Analytisches Denken
- Empathie
- Fähigkeiten eines Moderators
- Kommunikationsstark
-
Konfliktlöser
- Selbstbewusstes Auftreten
- Überzeugungskraft
Zusammen mit der Architektur- und der Managementpersönlichkeit steht einem erfolgreichen Projekt nichts mehr im Weg. Der Anforderungsspezialist enthält dabei das Wissen über die Problemstellung, der Architekt das Wissen über die Lösung und der Manager letztendlich das Wissen über die Pläne, Dokumente und Schätzungen.
Quellen und weiterführende Artikel